Samstag, 20. Juni 2020

Juni 2020

In Anbetracht der speziellen Lage hier ein kleines Update aus den Philippinen. Im Gegensatz zur Schweiz nehmen die Covid-19 Fälle hier immer noch massiv zu. Dabei hat sich in den letzten Tagen Cebu City zum Ort mit den meisten Fällen entwickelt. 

Doch der Reihe nach: 

Seit nun bald 12 Wochen haben wir eine sogenannte Ausgangssperre. Nach Informationen in den News ist dies die längste Zeit von allen Ländern. Zwar gab es einige Lockerungen in den letzten 2 Wochen. Aber die über 60 Jährigen und die unter 21 Jährigen müss(t)en den ganzen Tag im Haus bleiben. Erst seit 2 Wochen gibt es wieder einige wenige öffentliche Verkehrsmittel, die wieder fahren. Doch statt normal den über 100 Bussen pro Tag sind es nur ca. 6 und diese dürfen nur halb gefüllt werden. Auch Alkohol darf erst seit 2 Wochen wieder verkauft werden. Einige non Food Läden sind auch seit 2 Wochen wieder offen. Alle haben sich eigentlich gefreut, dass per 15. Juni weitere Lockerungen bekannt gegeben werden.

Doch dann kam der Schock in der Nacht vom 15. auf den 16. Juni. Cebu City wird wieder auf die höchsten Stufe des Lockdown zurückgestuft. Niemand hatte dies erwartet. Alle Läden müssen wieder schliessen, niemand darf in die Stadt und es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr. Wir in der Provinz bleiben auf der gleichen Einstufung wie vor dem 15. Juni. Der "Befehl" kam direkt von unserem Präsidenten Duterte.

Wir haben eigentlich bereits vorgehabt, diese Woche nach über 3 Monaten wieder einmal in die City zu fahren. Damit ist nun nichts.


Langsam steigt die Unzufriedenheit der Bevölkerung zu den Einschränkungen. Viele haben ihre Arbeit verloren und die Arbeitslosigkeit ist auf über 17 Prozent gestiegen. Die zum Teil wirklich sinnlosen Regeln werden immer weniger befolgt und die Kontrollen sind nicht mehr so streng. Was nicht kontrolliert wird, ist hier ohnehin erlaubt, Gesetz hin oder her. 





Fast gleichzeitig mit der Verschärfung ist auch die Anzahl neuer Covid-19 Fälle in der City massiv gestiegen. In der vergangenen Woche hatten wir einige Tage mit über 200 neuen Fällen nur alleine in der Stadt. In den ganzen Philippinen sind es manchmal über 600 Fälle pro Tag.


Aus meiner Sicht ist die Regierung nun völlig überfordert mit dieser Situation. Jeder befiehlt etwas anderes, was an einem Tag ausgerufen wird, gilt am nächsten Tag schon nicht mehr. Und die Regeln sind so kompliziert und ändern so schnell, dass bald niemand mehr weiss, was erlaubt und verboten ist. 

Die Situation in den Spitälern eskaliert ebenfalls. Patienten werden nicht einmal mehr im Notfall aufgenommen. Ein Ausländer wurde mit der Ambulanz zu einem Spital gefahren und musste in der Ambulanz 8 Stunden warten. Erst als er kollabierte, kam das Spitalpersonal - leider zu spät, er starb kurz darauf. 



Wartende vor dem Spital

nicht genügend Plätze im Nofall

In der Notfallaufnehme

Doch hier in der Provinz hat sich die Situation weitgehend normalisiert. Es gibt zwar auch ausserhalb der Stadt immer mehr Fälle, doch die Leute scheint es nicht mehr zu kümmern. Aus meiner Sicht ist es jetzt am Gefährlichsten, angesteckt zu werden. Deshalb halten wir uns sehr konsequent an die Hygienen Regeln. 

Leider hat uns diese Woche auch noch eine Todesnachricht erreicht. Ein Schweizer Kollege ist diese Woche in Cebu City an Covid-19 gestorben. Besonders schlimm ist es für die zurückgebliebene Frau, die nun 2 Wochen in Einzel Isolation gehen muss.

Nun, diese Corona Krise gehört ebenfalls zu den Erfahrungen, die wir hier machen. Aber wir freuen uns sehr auf unsern nächsten Aufenthalt in der Schweiz, wann immer es sein wird. Immerhin hat nun Lufthansa ein geeignetes Flugzeug angeschafft.....


Mittwoch, 6. Mai 2020

Mai 2020 - 5 Jahre Philippinen


Eigentlich sollte dies mein letzter Blog Eintrag werden. Unser Leben hier ist nicht mehr von so vielen Neuigkeiten geprägt als dass es da viel ständig Neues zu berichten gibt. (Leider) gibt es zur Zeit auch keine grösseren Projekte, an denen ich arbeite. Es gefällt uns immer noch sehr gut und es gibt keine Pläne in die Schweiz zurück zu gehen. Allerdings hat sich auch hier in den letzten 2 Monaten vieles verändert – so dass es doch wieder Neuigkeiten zu berichten gibt.

Wir werden oft gefragt, was wir so die ganze Zeit machen hier. Unser Leben ist (war) eigentlich sehr abwechslungsreich. Alle 2 Wochen fahren wir in die City, treffen uns mit dem Schweizer Club, gehen auf Ämter, haben Arzt Besuche und kaufen Dinge ein, die man nur in der Stadt bekommt. Ich habe meist nach 2 Tagen genug und fahre dann mit dem Bus wieder zurück in die Provinz in unser Haus in Dalaguete. Jonah bleibt meist noch 2-3 Tage und schaut ihrer Mutter oder trifft ihre Freunde und Familie dort. So sind wir also alle 2 Wochen 2-3 Tage getrennt voneinander, was uns beiden gefällt. Ich kann ihn dieser Zeit Gerichte kochen, die Jonah nicht so gerne hat und sie isst vor allem Filipino Food. Es ist auch die Zeit, wo ich meist etwas länger am Stammtisch sitze und etwas müder nach Hause komme. Hier in der Provinz stehe ich zwischen 6 und 7 auf, lese zuerst online die News und bereite das Frühstück vor. Zum Frühstück gibt es übrigens immer Kaffee aus der DeLonghi Maschine für mich und Schoggi Milch für Jonah. Dazu gibt es Brot und Käse für mich und Brot und Peanuts Butter für Jonah. Abgeschlossen wird das Frühstück mit tropischen Früchten, meist Bananen und Mango. Am Morgen macht meist jeder etwas für sich. Für mich gibt es jeden zweiten Tag ein grösseres Sport Programm (Stepping, Stretching, Bauchmuskel Training und Schwimmen). An den andern Tagen beschränke ich mich auf das Schwimmen. Falls ich der Chef in der Küche bin, beginnt nachher bald die Vorbereitung auf das Mittagessen. Jonah macht in dieser Zeit oft etwas Administrations Arbeiten oder Reinigung. Das Mittagessen ist unsere Hauptmahlzeit und oft gibt es dazu ein Glas Wein. Wenn ich koche, gibt es internationales Essen, wenn Jonah kocht meistens philippinisches. Dann gibt es Kaffee und Schoggi oder ein anderes Dessert. Um 13 Uhr kommt Rowena, unsere Haushaltshilfe. Während wir auf der Terrrasse Siesta machen, reinigt sie den Schlafbereich und die Bäder oder den Garten. Den Nachmittag verbringen wir oft mit einfachen Reparaturarbeiten, mit Gartenarbeit, Lesen, usw. Um 16 Uhr ist es dann schon Zeit für den Stammtisch. Man trifft sich im Dorf am Pier bei einem (meist mehr als einem!) kalten Bier und tauscht sich über alles Mögliche aus. Manchmal kommt auch die eine oder andere Frau mit und dann gibt es eine Frauenrunde. Wenn es dunkel wird (hier zwischen 18 und 18.30) geht man langsam wieder nach Hause. Oft trinken wir auch zu zweit unsern Apéro zuhause auf der Terrasse nachdem Rowena um 17 Uhr gegangen ist. Abends sind wir meist nicht mehr sehr hungrig und essen nur einen Snack. Wir bleiben oft bis gegen 21 Uhr auf der Terrasse und Lesen oder machen ein Spiel. Dann schauen wir in unserem Fernsehraum noch einen Film und so um 22.30 ist Nachtruhe. Der Tag geht so eigentlich ganz schnell um. Oft gibt es auch Überraschungen wenn etwas kaputt geht, Besuch kommt, etc.
Dies ist natürlich nur der Standardablauf. Oft machen wir auch Ausflüge, haben Besuch, gehen auf Besuch oder alles ändert weil etwas kaputt geht oder eingekauft werden muss. Nicht zu vergessen die Zeit, die wir mit der philippinischen Administration verbringen, sei es einen Ausweis zu verlängern, Fahrzeug vorzuführen und vieles mehr. Sie sind Weltmeister in der komplizierten und ineffizienten administrativen Abwicklung, was meist viel Geduld und Nachsehen kostet ……

In den letzten 2 Monaten hat natürlich alles geändert. Als wir am 13. März von der City nach Dalaguete gefahren sind, haben wir zwar schon etwas mehr eingekauft als normal – aber nie hätten wir gedacht, dass wir mehr als 2 Monate nicht mehr in die City kommen. Nachdem zuerst Restaurants, Beaches usw. geschlossen wurden, kam es am 23. März zum kompletten Lockdown. Der ganze öffentliche Verkehr wurde eingestellt. Aus dem Hause durfte nur noch eine Person, die zuerst einen sogenannten Quarantäne Pass beantragen musste. 


Ausser Nahrung konnte man nichts mehr kaufen, nur noch der Markt und der Supermarkt hatten geöffnet. Nach einer Zeit wurden auch die Öffnungszeiten drastisch gekürzt (dessen Sinn ich bis heute nicht verstehe, so kommen doch mehr Leute zur gleichen Zeit zusammen). Später wurden auch noch die Tage, in denen man einkaufen kann, auf 2 Tage pro Woche reduziert. Zwischen allen Orten wurden Kontrollposten errichtet, man konnte nur mit einem speziellen Ausweis in den nächsten Ort fahren. Der Alkohol Verkauf wurde ebenfalls gestoppt.
Ausweise für einmalige Fahrt ins Nachbardorf

Die Anzahl Covid-19 Fälle hat in der letzten Woche trotz all den Massnahmen massiv zugenommen. Gegenwärtig haben wir auf ca. 4.5 Mio Einwohner auf der Insel Cebu knapp über 1000 Fälle. Es gab alleine letzte Woche ein Verdoppelung, wahrscheinlich weil erst jetzt genügend Tests zur Verfügung stehen. Ausserhalb der Stadt sind es weniger als 10 Fälle. Die Hälfte aller Fälle sind in 2 Gefängnissen. Das ist nicht weiter erstaunlich, ist doch das Cebu Stadtgefängnis gebaut für 580 Insassen – doch es sind über 6000 (!) inhaftiert. Die Meisten sind übrigens Drogendeliquenten. Die andere Hälfte kommt vor allem aus den Armenvierteln, wo Social Distancing eben sehr schwierig ist.

Meiner Meinung nach sind die Corona Massnahmen unverhältnismässig. Viele Massnahmen bringen gar nichts, vor allem in den Provinzen, die ja Covid-19 frei sind. Das Leben hier ist komplett zum Stillstand gekommen. Doch die Opposition ist sehr gering. Dies kommt davon, dass wir hier nicht in einer Demokratie leben. Was die Regierung bestimmt, wird ohne Hinterfragung akzeptiert. Das Land ist auch sehr Krisen erprobt durch die vielen Erdbeben, Stürme, Terror, etc. So ist auch nicht weiter erstaunlich, wie schnell da ganze Quarantäne Gebäude gebaut wurden, Essen an die Bedürftigen verteilt wird, etc. Man kann auch sehr gut die Hilfsbereitschaft der Filipinos erleben. Überall wird gespendet und Essen an die Armen verteilt, die ohne Job natürlich keinen Lohn haben und ohnehin von der Hand in den Mund leben.

kriegsähnliche Checkpoints zwischen den Orten

Checkpoint von gut geschütztem Personal

in 4 dieser Armenviertel sind praktisch alle Fälle in Cebu

Desinfektion nach Einsatz


ganze Strassenzüge werden desinfiziert


neu gebautes Quarantäne Zentrum


Wochenlieferung von Esswaren an die Haustüre von der Gemeinde
und so sieht es im Kühlschrank aus ....

Vorläufig gilt der Lockdown noch bis 15. Mai, aber es wird bereits über eine Verlängerung diskutiert. Der wirtschaftliche Schaden ist vor allem im Tourismus Bereich und bei den OFW gross. OFW (Overseas Filipino Workers) sind alle die Filipinos, die im Ausland arbeiten, viele auf Kreuzfahrt- und Frachtschiffen, die nun alle zurück gekommen sind (viele mit dem Virus!) und kein Geld mehr ins Land schicken können. Man schätzt, dass die OFW ca. 10% zum Bruttosozialprodukt beitragen.

So hat sich natürlich unser Leben verändert. Seit mehr als 7 Wochen sind wir jetzt in Dalaguete und ich immer zu Hause. Rowena, unsere Haushaltshilfe kann nicht mehr kommen, da sie in einem andern Ort wohnt. So machen wir ihre Arbeit und sind viel beschäftigt mit Gartenpflege (jeden Tag giessen, da es zur Zeit sehr trocken ist) und Hausreinigung. Es geht so weit ganz gut, wir haben ja viel Zeit, da wir das Haus nicht verlassen können.  
Wir befinden uns eigentlich in einem angenehmen „Gefängnis“. Trotzdem vermissen wir natürlich die Abwechslung und die sozialen Kontakte. Sehr oft treffen wir Freunde auf www.schieber.ch und machen online einen Schieber.
Da die Rückkehr zur „Neuen Normalität“ hier wohl anders aussieht als in Europa, werde ich zur gegebenen Zeit diese dann in einem weiteren Blogeintrag schildern.

Per 1. Mai 2020 wäre ich übrigens bei der Swiss offiziell pensioniert worden. Es wäre ein trauriger Abgang gewesen, ohne Abschiedsparty und in einer so schwierigen Phase der Firma. Ich verfolge alles eifrig mit und leide mit meinen Ex Arbeitskollegen.

Und wie lautet sonst die Bilanz nach 5 Jahren Auswanderung?
Unsere Auswanderung war vor allem für mich ein Erlebnis, das ich nie missen möchte. Ich konnte viele neue Erfahrungen in einer ganz andern Kultur sammeln und einen Lebenstraum verwirklichen. Für Jonah ist es natürlich etwas anders, vor allem nachdem sie nun 2 Grosskinder in der Schweiz hat.

Es ist nicht alles gut hier. Vor allem wird der schönen Umwelt viel zu wenig Sorge getragen. An vielen Ort liegt Müll, die Städte haben zudem schlechte Luft und einen ständigen Verkehrsstau. In die Infrastruktur wird wenig investiert und bei allem sehr kurzfristig überlegt. Von der überaus mühsamen Administration habe ich bereits geschrieben.

Auf der andern Seite ist es einfach toll in einem tropischen Land zu leben, keine Winter und immer warm! Ich liebe es 80% des Tages draussen zu sein. Die Menschen sind hilfsbereit und sehr tolerant und haben fast etwas südamerikanisches Temperament. Zu den Schweizern und andern Ausländern hat man hier natürlich als Auswanderer eine ganz andere Beziehung als im eigenen Land, sind wir doch hier Gäste und in der Minderheit. Schön ist natürlich auch die Kaufkraft unseres Schweizer Frankens. Hier können wir uns ein tolles Leben mit 2 Häusern und zwei Angestellten leisten. Nicht alle können sich mit der Neuen Heimat anfreunden, aber ich denke, dass es mir sehr gut gelingt. Für mich überwiegen die positiven Aspekte und so werden wir wohl noch einige Zeit hier bleiben.

Niemand weiss wie die Zukunft aussieht, aber zur Zeit könnte ich mir vorstellen, ab 65 auch in der Schweiz ein Domizil zu haben und dann jeweils die Sommermonate dort zur verbringen. Aber den Winter vermisse ich überhaupt nicht!

Ja, und das nächste Mal werden wir wohl so in die Schweiz fliegen: